Dienstag, 11. November 2008

Quelle Rheinische Postvom24. 07. 2008

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Ressort Politik

Rubrik Rheinische Post Gesamtausgabe

Autor Von Frank Herrmann |

Los Angeles verbietet Plastiktüten

Los Angeles verbietet Plastiktüten

Die Müllflut eindämmen will die kalifornische Millionenstadt: Ab Juli 2010 dürfen in Geschäften keine Einkaufstüten aus Plastik mehr ausgehändigt werden.

Kunden müssen ihre eigenen Taschen mitbringen oder können sich für 25 US-Cent eine Papiertüte kaufen. Von Frank Herrmann Los Angeles Bill Rosendahl ist sehr zufrieden.

"Das ist ein wichtiger Tag für unsere Stadt - ökologisch das Vernünftigste, was wir jemals getan haben." Der Mann sitzt als Ratsherr im City Council, der Stadtverwaltung von Los Angeles, der Millionenmetropole am Pazifik. Berühmt ist sie wegen der unendlichen Blechlawinen, die über das Betongewirr ihrer Autobahnen rollen. Bei grüner Politik

vorn zu sein, das war bislang nicht ihr Markenzeichen.

Nun feiert Rosendahl so etwas wie eine Wende. Im Bunde mit Gleichgesinnten

konnte er eine Umweltnovelle durchsetzen, die er als historische Zäsur bezeichnet.

Ab dem 1. Juli 2010 dürfen die Geschäfte der Stadt keine Plastiktüten

mehr ausgeben. Das heißt, ihre Angestellten dürfen nicht mehr tun, was zu amerikanischer

Konsumkultur gehört wie extragroße Colaflaschen oder die lächelnden Begrüßungsteams

bei Wal-Mart, die einem an der Tür einen schönen Einkauf wünschen.

Nach eingespieltem Procedere packen die Kassierer, zumeist überaus freundliche Zeitgenossen, die Ware vom Laufband weg direkt in hauchdünnen Kunststoff. Die Plastiktüten hängen praktischerweise gleich neben den Kassen. Der Verkäufer lässt Beefpakete, Cornflakes und Erdnussbuttergläser gewissermaßen hineingleiten, der Käufer

braucht die gepackten Beutel nur noch vom Band zu heben. Bequem, aber

längst nicht mehr unangefochten. In Los Angeles werden Kunden in zwei

Jahren ihre eigenen Taschen mitbringen müssen. Alternativ können sie Papiertüten

kaufen. Mit der neuen Politik soll die Müllflut zumindest etwas eingedämmt werden. Momentan sind es schätzungsweise 2,3 Milliarden Plastiktüten, die allein in "LA" jedes Jahr unter die Leute kommen. Recycelt wird schätzungsweise nur jede zwanzigste. Die

meisten landen auf Deponien. Weht der Wind sie weg, verhaken sie sich in Maschendrahtzäunen, hängen wie Minifallschirme in Bäumen oder landen in Flüssen

und Meeresbuchten. Umweltschützer schlagen seit langem Alarm, weil Fische, Seevögel und Schildkröten die durchsichtigen Fetzen mitunter verschlucken und qualvoll daran

ersticken. "Plastiktüten sind hässlich, sie sind die Graffitiparolen des Wassers", meint Ed Reyes, ein Ratsherr, der das Verbot initiierte. Als erste Stadt hatte San Francisco, so

etwas wie die Hochburg alternativen Denkens, die zwar reißfesten, aber biologisch

nicht abbaubaren Beutel aus den Supermärkten verbannt. Mit Los Angeles folgt jetzt das größte kalifornische Ballungszentrum. Dies verstärkt den Druck auf die Bundesstaatenregierung Arnold Schwarzeneggers, den beiden Beispielen zu folgen. Kalifornien als Ganzes denkt darüber nach, Plastiktüten ab 2012 aus dem Verkehr zu ziehen. Nicht nur am Pazifik, auch am anderen Ende der Vereinigten Staaten kommen

die Dinge in Bewegung, wenn auch mühsamer. Diese Woche stand in Baltimore ein Gesetzentwurf zur Debatte, der Kaufhäuser und größere Läden auf Papier und Stoff verpflichten wollte. Ein Unterausschuss hatte das Projekt abgesegnet, das höhere Gremium lehnte es aber ab. Im vergangenen Herbst war in Annapolis, einem malerischen Hafenstädtchen an der Chesapeake-Bucht, ein ähnlicher Vorstoß knapp gescheitert.

Die Argumente der Plastiklobbywaren in Annapolis wie Baltimore gleich: Von wegen Umweltschutz - um Papier herzustellen, müsse man Bäume fällen. Wenn es regne, weiche Papier auf, Kunststoff nicht. Die Plastik-Allianz will das Votum von Los Angeles gerichtlich anfechten.

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