Dienstag, 25. November 2008

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Abenteuer Wissen

Die Plastikfahnder
von Pisa

Eindämmung der Plastikflut im Mittelmeer

Die Weltmeere haben sich zu einer gigantischen Müllkippe entwickkelt . Auch im Mittelmeer treibt immer mehr illegal und vorsätzlich entsorgter Plastikmüll. Kleine Plastikteile, die sich auf oder unter der Meeresoberfläche bewegen, gelten als eine der Haupt-Todesursachen bei Seevögeln und einigen Fischarten. Ein internationales Wissenschaftlerteam aus Pisa will dem illegalen Verklappen von Plastikmüll nun ein Ende bereiten.

Seit drei Jahren erforscht das Team des Umweltschutz-Vereins "Green-Ocean" unter Leitung des Ozeanographen Dr. Robert Groitl die zunehmende Verschmutzung des Mittelmeers durch Plastikmüll. 75 bis 80 Prozent des Plastikmülls gelangen aus Fabriken, Haushalten, Landwirtschaft und Kanalisation über die Flüsse direkt ins Meer. Selbst im Naturschutzgebiet, rund um den Arno, sammelt sich der Dreck, der aus dem Landesinneren kommt. Die zunehmende Verschmutzung gefährdet das Gleichgewicht eines wichtigen Ökosystems.


Große italienische Flussmündungen ins Mittelmeer

Aktionen gegen Müllentsorgung

Die Experten von Green Ocean schätzen, dass jedes Jahr sechs bis acht Tonnen Plastikabfall im Mittelmeer entsorgt wird. Etwa 70 Prozent davon sinkt auf den Meeresgrund. Die anderen Plastikteile treiben auf der Wasseroberfläche und bis zu einer Tiefe von 100 Metern. Ein außergewöhnliches Pilotprojekt mit vielen Aktionen soll den Plastikmüll an der toskanischen Küste reduzieren.


Dr. Robert Groitl

Der Ozeanograph und Umweltaktivist Dr. Robert Groitl leitet das Projekt. Es wird unterstützt von Kommunen, Naturschutzverbänden und Küstenwache. Natürlich ist den Forschern bewusst, dass mit ihren Aktionen das Mittelmeer nicht vom Müll befreit werden kann, aber es ist ein Anfang. In der Region Pisa und Livorno beteiligen sich mehrere Schulklassen bei Säuberungsaktionen an Stränden. Außerdem wurden spezielle Müllcontainer aufgestellt.


Forscher als Müllsammler

Mit dem Segelschiff "MS Thalis" sammeln die Wissenschaftler Daten über das wahre Ausmaß des Problems. Systematisch durchfischen Groitls Mitarbeiter die See nach Plastik. Jede Mess-Strecke ist einen Kilometer lang. Die Ausbeute reicht von der PET-Flasche bis zum Fußball. Je nach Region und Wassertiefe variiert die gesammelte Menge Müll. Wegen ihrer unterschiedlichen Dichte verteilen sich verschiedene Plastiksorten von der Wasseroberfläche bis zum Meeresboden. Das komplette Ökosystem Meer ist betroffen.


Auf dem Meeresboden erfassen Taucher die Verteilung des Plastikmülls entlang einer Orientierungsleine. Sie folgen einem exakt festgelegten Plan, um ihre Ergebnisse später mit den anderer Forscherteams vergleichen zu können. Weiter dokumentieren sie mit Unterwasserkameras den Plastikmüll auf dem Grund. Nach Auswertung der Daten leiten die Wissenschaftler diese an die nationalen Behörden weiter.


Dr. Groitl: "Früher wurden die Wälder als wilde Mülldeponien missbraucht. Heute sind es die Flüsse und Meere. Wir wollen wissen, woher der Müll kommt. Jeder Kunststoff besitzt eine Art Fingerprint. Anhand der Zusammensetzung können wir die Hersteller ermitteln." Immer wieder gehen den Forschern und Fischern tote oder verletzte Tiere ins Netz. Todesursache: Plastikteile in Magen oder Darm. Durch Sonneneinstrahlung und Wellenbewegungen werden die groben Kunststoffteile in immer kleinere Teilchen zerteilt. Diese Partikel nehmen Meerestiere und Seevögel als tödliche Nahrung auf.

Plastikteile als "Beifang"

Jeden Tag werden die Fischer bei ihrer täglichen Arbeit mit dem Müllproblem konfrontiert. In ihren Netzen ziehen sie Plastikteile als "Beifang" aus dem Wasser, den sie meist gleich wieder ins Meer entsorgen. Die Umweltorganisation hat ihnen eine ökologische Alternative angeboten. Das Konzept ist simpel: Die Fischer sollen ihren Müll nicht mehr wie gewohnt zurück ins Meer werfen, sondern sammeln. Den Fischern wird der Müll sofort im Hafen abgekauft und kann ordnungsgemäß entsorgt werden. Dafür erhalten sie eine kleine finanzielle Entschädigung. Alte, ausgediente Netze aus Plastikschnüre können die Fischer ebenfalls kostenlos abgeben und entsorgen lassen.

LINKS

Dr. Groitl: "Die EU verfügt über 2,8 Millionen Fischerboote. Es dürfte keine effektivere und auch kostengünstigere Methode geben, unser Ökosystem von dem gefährlichen Plastikmüll zu befreien." Die Verschmutzung der Weltmeere durch Plastik ist ein Problem, das nur schwer in den Griff zu kriegen ist. Denn es kann bis zu 500 Jahre dauern, bis UV-Strahlung und Oxidation Plastikmüll in seine Moleküle zerlegt hat.

Alexander Czogalla, Bärbel Scheele

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